Dr.  Manfred  Krill  Verlag FÜR PSYCHOANALYSE

HAINERBERGWEG 53, D-61462 KÖNIGSTEIN IM TAUNUS

Telefon 06174-23660

Inh.: Dr. med. Manfred Krill

 

 

Neue Traumatheorie

Das Schicksal der spontanen Traumafolgen: Einkapselung, Patinabildung, Innere Auszehrung (Tafonisierung), aktive Zertrümmerung, Erosion, einfacher Zerfall, spontane oder aktive Auflösung, Assimilation, Ausscheidung? Das Schicksal der Traumaanalyse.

von Manfred Krill

 

Einleitung

 

Wie Traumen, aber auch Traumatherapien wirken, ist trotz reichlicher Literatur darüber unklar geblieben.

Schon die Frage, ob eine Traumatisierung überhaupt vorlag oder, wenn ja, ob sie schwerwiegend oder gar schwerstens oder nur gering war oder gar nicht vorlag, gehen die Meinungen im Einzelfall oft sehr auseinander. Für eine Traumatisierung überhaupt können neben den Angaben des Patienten, die aber immer mit Zurückhaltung entgegenzunehmen sind, andere Umstände sprechen, so insbesondere, wenn bereits nonverbal Erinnerungen an Beziehungen von einen unguten Gesichtsausdruck oder anderen nonverbalen Mitteilungen in der Übertragungssituation begleitet werden. Aber auch hier wird so oft die Abwehr im Patienten und in der Übertragungssituation schlicht vergessen. Auch der ungute Gesichtsausdruck kann auf Abwehr beruhen, z.B. gegen Schuldgefühle, in der vergangenen Beziehung keine gute Figur abgegeben zu haben, z.B. selbst aggressiv gegen eine Person vorgegangen zu sein oder diese gegenüber anderen herabgesetzt zu haben, und gegen entsprechende Schamgefühle, auch gegen Ängste, zu deutlich mit einer allgemein schlecht benoteten Person zu sympathisieren.

 

Umgekehrt gilt z.B. wohl, dass eine Beziehung in der Kindheit umso stabiler gewesen sein muss, je mehr z. B. der Gesichtsausdruck dies wiedergibt und – anamnestisch – je weniger sich die Beziehungsperson von seiner Zuwendung zum späteren Patienten ablenken ließ, durch z.B. Nachbarn, Verwandte, Aufgaben beruflicher oder sonstiger Art.

Gerade diese Ablenkbarkeit ist verhältnismäßig einfach zu erfahren, da auch der Patient hierüber ziemlich unbefangen zu berichten pflegt, d.h., weil er dies für eine Nebensache hält und wenig Abwehr gegen seine Version entwickelt hat und entwickelt.

 

Bei schweren Traumatisierungen erwartet man so sehr, dass auch die Therapie nur gering wirken kann, dass, wenn sie dennoch gut wirkte, gern auf die These zurückgegriffen wurde, es müsse in der frühen Vergangenheit ein „gutes Objekt“ (etwa ein Elternteil, ein Verwandter, also eine Tante, ein Onkel, Großeltern oder ein Geschwister, ein Nachbar, ein Lehrer) eine gute Wirkung gezeitigt haben, gern im Sinne eines Selbstgefühls von Kohärenz oder Ganzheit, etwa nach Kohuts Selbst-Objekt-Übertragungen (vielleicht ein Lächeln, vielleicht ein guter Gesichtsausdruck gegenüber dem Analytiker?), und zwar auch dann, wenn der Analytiker trotz hartnäckiger Suche ein solches nicht ausmachen kann.

 

Gerade aber auf gute Geschwisterbeziehungen wird zu wenig geachtet, zumal sich sogar der berühmte Kinderanalytiker Winnicott dieses Themas auffallend wenig annahm (Bodansky 2014,191), hingegen er dort meistens nur schlechten („malignen“) Beziehungen (vor denen sich ein Kind mit Phobien vor Wölfen und Ratten schütze, d.h. (Verf.) durch diese Verschiebung die Ängste vor den Geschwistern abwehre) mit Neid. Eifersucht, Hass, Rivalität, Missbrauch durch einen älteren Bruder und deren Auswirkungen auf die Übertragung (nach Bodansky 2014,193) volle Aufmerksamkeit gönnt.

Dazu gehören auch nachfolgende Geburt eines Geschwisters, die vielen kindlichen Grausamkeiten, Todesfälle, Todeswünsche, Hass, Enttäuschungen, Inzest, Rivalität, Verschiedenheit in der Entwicklungsrichtung, Differenzen in der Bewertung von Ereignissen und Erlebnissen, auch Todesfälle, so der Eltern, übertriebene Fürsorge, Eifersucht und Neid, sexuelle Spiele unter Kindern. Auch Schlagephantasien wurden immer wieder ausführlich dargestellt (zit.n.Bodansky 2014,193), m. E. nur im Einklang und in compliance mit der allgemeinen Pathologisierungs- und Dramatisierungstendenz in der Psychoanalyse.

Auch Parens (1988, 31) betont einseitig die ungünstigen Auswirkungen von Geschwisterbeziehungen, wenn er auch anerkennt, dass sie den Eintritt in peer groups erleichtern und Idealisierungen fördern können.

 

Gute Beziehungen zu anderen Kindern oder zu Geschwistern bei der Verarbeitung schwerster Traumen in der Kindheit werden hingegen selten in ihrer großen günstigen Wirkung gewürdigt, aber doch einmal sehr anhand der geschwisterähnlichen Beziehungen von KL- Waisenkindern (Anna Freud und Sophie Dann (1951).

Auch Kramer (2010) betont das ausgesprochen entwicklungsfördernde Element in Geschwisterbeziehungen, und zwar infolge des ständigen Austausches aller Emotionen.

 

Familiäres Für-einander- Einstehen (care giving) als ein eigenes motivationales System wird von Lichtenberg, Lachmann, Fosshage (2011) hervorgehoben. (weitere Lit. mit großen Differenzen im Für und Wider bei Bodansky, 2014,194).

 

Die Darstellungshinweise von ungünstiger Auswirkung der Familie steht aber so im Vordergrund, dass z.B. gern den Eltern des Patienten unterstellt wird, selbst missbraucht worden zu sein. Abgesehen davon, dass dies ein treffendes Beispiel für einseitiges Haften an einem bestimmten Thema, hier des Missbrauchs, ist, dient es hier dazu, durch Ausweitung, durch Verankerung im weiteren Umfeld, die Meinung des jeweiligen Autors zu bekräftigen und keinen Zweifel daran mehr aufkommen zu lassen, also zur Selbstaffirmation.

 

Man lässt gewissermaßen das – tatsächliche oder vermeintliche – Trauma in Gedanken Wurzeln schlagen, seitwärts und in die rückwärtige Tiefe, aber auch in die Zukunft, indem die nachfolgende Generation bereits ins Auge gefasst wird, damit es glaubhafter wirkt. Hier handelt es sich um einen bekannten suggestiven Trick, der auch regelmäßig bei der Einführung neuer Begriffe, wie seinerzeit „Borderline“, angewandt wird, um deren Verbreitung zu erzwingen. Es wird soviel über eine bestimmte These gesprochen und diese mit so vielen anderen Themen verknüpft, dass sich niemand mehr dieser These entgegenzustellen traut. Er müsste ja nicht nur gegen die eigentliche These, sondern auch gegen deren zahlreiche Verzweigungen argumentieren und stünde auch ziemlich machtlos einer Vielzahl von zitierten Autoren gegenüber.

 

Wir wissen ja, was es bedeutet, wenn einseitiges Bemühen immer mehr vorangetrieben wird: Abwehr eigener Zweifel, Selbstaffirmation, Idealisierung, Intellektualisierung.

 

Dabei wurde nicht mehr nach Einzelheiten gefragt, etwa, warum der Patient offenbar mit sehr wenig Zuwendung in der Kindheit auskam und trotzdem das Trauma einer Behandlung zugänglicher wurde als bei Anderen, die mehr Zuwendung erhalten hatten, - soweit sich dies beurteilen ließ.

 

Es ist wichtig, hier das grundsätzliche Vorgehen festzuhalten, nämlich dass man für eine gelungene Therapie in die Vergangenheit greift und nicht etwa das intrapsychische Geschehen oder Übertragungs-Gegenübertragungsabläufe während der erfolgreichen Behandlung zur Erklärung heranzieht, wie es sonst üblich und psychoanalytisch anerkannt ist.

 

Aber ganz ungewöhnlich ist ein solches Vorgehen nun auch wieder nicht, denn die Tendenz, in die Vergangenheit auszuweichen („race back“, beklagt von Shapiro 1981 und Gray, s. Lit.) ist gang und gäbe, geradezu psychoanalyseendemisch, durch traditionelle Nachahmung, durch die Gebräuche in den Lehranalysen (Ausbildungsanalysen) und vor allem in den Abschlussexamina und durch die Vorgaben der Richtlinienpsychotherapie verfestigt, zumal die Konzentration auf das Hier und Jetzt im Patienten und auf die Übertragungs- Gegenübertragungssituation mühevoll und voller Stolpersteine ist:

 

Gray (1973, 1982, 1986, 1987, 1991, 1992) und andere Abwehranalytiker haben gute Argumente, wenn sie in einem solchen Vorgehen ein Ausweichmanöver (evasion, otgoworka) sehen, in Form einer Verschiebung auf ein weniger unangenehmes Vorgehen, auf eine Verschiebung von der Gegenwart der Behandlungssituation und von der Behandlungsdyade auf die Vergangenheit und auf andere Personen, also eine doppelte Verschiebung. Dieses Phänomen des doppelt Genähten weist auf das Ausmaß unangenehmer Gefühle, welche diese Abwehr hervorrufen, während der Behandlungssituation hin.

Das ganze Ausmaß der Ratlosigkeit wird aber erst sichtbar, wenn auch nach dem Griff in die – tatsächliche oder vermeintliche - Vergangenheit nie erklärt wird, wie denn das gute (oder auch das schlechte) Objekt im Einzelnen gewirkt haben soll, somit sich dieser Rückgriff nicht als heuristisch nützlich erweist.

 

Es ist ferner festzuhalten, dass nicht nur eine nähere, psychodynamische Erklärung aus der Behandlungssituation oder aus der Vergangenheit nicht gefunden wurde, sondern dass auch nach ihr nicht gesucht wurde, im Gegensatz zu üblichen Verfahren bei der Erklärung und bei der Behandlung von Neurosen. Die Behandlungstheorien haben ja sonst miteinander gemeinsam, dass sie die vermuteten Ursachen ins besondere Blickfeld nehmen oder sich sogar völlig auf diese zu konzentrieren versuchen und diese oder deren Auswirkungen so zu mildern suchen.

 

Im Übrigen werden immer wieder „neue Ideen“ zur Behandlung (Bodansky 2014,191) angeführt, die aus „others emotional theories“, „infant research“, „attachment research“, Theorien der Mentalisierung, „theories of the mind and affects“, neuraler Biologie, Beziehungstheorie (relational theory). Intersubjektivitäts- Theorie, „specificity theory“, nicht-linearer und nicht-linearer System-Theorie stammen. Unumstritten als, wenn auch unspezifische, Heilfaktoren jeder analytischen Behandlung sind Verlässlichkeit, Geduld, Halten („holding“, kein Hetzen, „must not be rushed“, Winnicott 1963, zit.n. Akhtar 2014,206).

Allerdings setzt Winnicott dort den analytischen Prozess mit dem Reifungsprozess im Kleinkind und Kind gleich, was sehr fraglich, sogar abwegig, erscheint und auf den alten Regressionsvorstellungen (Schlierf 1998 und Renik 1998: „romantisierende Vorstellungen“) in der Analyse beruht. Der erwachsene Patient bleibt erwachsen und hat andere Aufgaben, als nur seine Kindheit zu wiederholen, also gemäß seinem „infantilen Modell“ zu leben. Außerdem ist nicht zu vergessen, dass Kindheit nicht heißen kann, es habe seinerzeit keine Abwehr gewirkt. Wenn man also schon die Kindheit wiederbeleben und durcharbeiten zu müssen glaubt, dann auch die Abwehr.

Vor vorzeitigem „Sprengen“ (rupture) der Abwehr glaubt Akhtar (dito) warnen zu müssen, aber hier warnt er vor einem Schreckbild. Denn auch die klassische Analyse hat nicht die Sprengung der Abwehr oder ein anderes, gleichsam gewalttätiges Vorgehen im Sinn, wie hier fälschlich unterstellt wird, vielmehr sorgt sie dafür, dass sich die Aufmerksamkeit des Patienten auf seine Abwehr richtet und er diese langsam aufgeben kann. So wird ein Phobiker, der mit Vermeidung seine Angst abwehrt, die Brücke zu überqueren, keineswegs aufgefordert, nun mit einem Ruck diese Abwehr aufzugeben.

Aber welche inneren Vorgänge nach der jeweiligen Theorie im Patienten ablaufen oder ablaufen sollen, wird nicht erklärt.

 

Die Versuche dazu bleiben pauschal. So behauptet Bodansky (2014, 198), bei seiner Patientin mit deren Empathiedefiziten, Entfremdungsgefühlen (dissociative states), situativen Sprechhemmungen und verbalen Ausdrucksstörungen, einer Ess-Störung („major eating disorder“, was sowohl Bulimie als auch Anorexia nervosa bedeuten kann) mit Selbstritzungen, im Status einer allein erziehenden Geschiedenen mit einer Tochter, nach mehreren Suizidversuchen die Mentalisierung zu fördern (durch Erklärungen, Sich- Anbieten als ein idealisiertes Selbstobjekt, durch ihr gutes Zuhören und ihr Folgenkönnen auf seine Gedankengänge, durch Ermuntern zum Äußern ihrer „inner feelings“ und zum Aufnehmen seiner Gedanken, durch ihre Mitteilungen über ihre Traurigkeit und ihren Selbsthass, durch Nachverfolgen ihrer Gefühle (aber übrigens auf welchem Wege? Durch Ausfragen? Durch Abwehrdeutungen? Durch Ermuntern, mehr zu erzählen? Und wohin? Auf biographische Ursprünge? Auf die Stellung in der gesamten Psychodynamik? Auf Ängste, Schuld- oder Schamgefühle, auf Abwehren? Das alles wird offengelassen), ferner Erklärungen an die Patientin, warum sie so selbstzerstörerisch sei, durch Darstellen, wie wenig sie die Selbststeuerung (self- regulation) erlernt habe, dass die Art und Weise ihrer „regulation“ und Schmerzvermeidung ihr nur noch mehr Pein (pain, Pein, Schmerz, peinlicher Schmerz) bereite, und zwar besonders, wenn sie sich angegriffen oder aufgegeben fühle. Dadurch habe sie sie sich ihre Gefühle bewusst machen können, sie sei mit ihren Gefühlen nicht länger allein geblieben, sondern habe nun über diese mit dem Therapeuten sprechen können. Bei Lichte besehen, handelt es sich aber um unspezifische Effekte und Wege, die man überall haben kann, wo sich eine Person nachhaltig mit einer anderen befasst. Man benötigt dazu keineswegs eine Analyse. Die angegebenen Vorgänge bestehen in einem Austausch von Gefühlen, aber vor allem auch in bloßen psychologisierenden, auch stark intellektualisierenden, mechanistischen (Fonagy!) Erklärungen, die bekanntlich nutzlos sind und allenfalls einer Beruhigung dienen, indem sie der Sache einen - dazu auch noch falschen -  Namen geben - (falscher Anglizismus: regulation ist nicht dasselbe wie Regulation= Drehung am Schräubchen, etwa wie ein Schleusenwärter, eher schon Regelung, aber ist besser mit  Beeinflussung übersetzt), enthalten keinerlei Abwehrdeutungen, kein Konfliktverständnis, keine Versuche, einen inneren Konflikt zu lösen, enthalten Unterstützung durch den Therapeuten, indem er ihre Version von einem Angriff ihres Freundes auf sie übernahm; sowie eine glückliche Wahl bei ihrer Heirat, und unterscheiden sich nicht vom Alltagsleben und von Spontanbesserungen ohne Therapie, besonders, wenn man die langen Behandlungszeiten berücksichtigt (Bodansky 2014:Erster Behandlungsabschnitt 1994-1996, was also drei Jahre sein können, da Näheres nicht angegeben ist, und ein zweiter Behandlungsabschnitt ab 2008 bis mindestens Juli 2010, also noch einmal an die drei Jahre. Insgesamt mit einer Pause von 12 Jahren vergingen ca. 16 (!) Jahre.

Im zweiten Behandlungsabschnitt ab 2008 bis Dez.2011 klagte sie nach wie vor über Entfremdungserlebnisse, und nun war sie zur strengen Veganerin geworden, hatte drei weitere Kinder bekommen, davon eines aus einer außerehelichen Affäre, war eine Waldorfschulenanhängerin geworden, sie litt unter Schamgefühlen, Verlegenheit, Enttäuschungsgefühlen, nach wie vor unter Sprechhemmungen. Die Behandlung bestand in affektiver Resonanz (nach Teichholz ein verbaler und nonverbaler gegenseitiger affektiver Austausch mit der Möglichkeit der Bedeutungsausweitung, im Kohutschen Sinne mirroring) sowie in einem Sich-zur-Verfügung-Stellen als Selbstobjekt mit Idealisierung. Durch die Behandlung, und zwar durch eine „transmuting internalization“ nach Kohut, konnte sie nun besser sprechen, sie begann, Bücher zu lesen und diese mit dem Therapeuten zu diskutieren, vertiefte sich in die Waldorf- Schulpolitik und hielt auch dort Schulstunden. Die Entfremdungserlebnisse ließen nach, verschwanden schließlich nach Angaben des Autors. Nach den Erklärungen des Autors und Therapeuten handelte es sich dabei nur um Vermeidungen eines Konfliktes oder einer unangenehmen Situation. Sie habe aber nun ihre Gefühle ausdrücken können. So einfach geht das also mit einer Erfolgsmeldung, und man fragt sich, wozu die ganze Aufregung, der ganze Aufwand einer so langen Therapie (Verf.).

Sie konnte schließlich auch ihrem Mann sagen, dass der eine Sohn nicht von ihm stamme (Was ist das schon!, Verf., - dies können andere auch ohne eine derartig lange Therapie) Hier werden Erfolge gefeiert, die keine sind, weil sie zum Alltagsleben gehören und weil hier keine schweren Konflikte gelöst wurden. „To talk about sex“ kam auch nicht zu kurz, auch fehlte nicht eine Vergewaltigung und eine lesbische Beziehung, und einmal schrieb der Therapeut das Wort „Brust“ in sein Notizbuch und hatte nach seinen Angaben einen besonderen, nicht näher beschriebenen Gesichtsausdruck dabei, - worauf er ihr mitteilte, dass einige Mal das Thema „Sex“ in der Luft gelegen habe, und was er sonst noch so glaube (think).

Die auf den Seiten 201-202 berichtete Stunde dieses Autors (dito) drängt der Therapeut seine Patientin, traumatische Erinnerungen zu produzieren („I can imagine, that there were some scenes from your past that were triggered in your memory and that you can still feel“), worin sie schließlich zögernd einwilligt, - in compliance mit ihrem Therapeuten. Die Patientin soll das glauben, was der Therapeut glaubt. Der Therapeut fügt hinzu, sie sei jetzt kein kleines Mädchen mehr und könne nun besser mit diesem „Trauma“ umgehen. dass einst ihr Vater ihrer Schwester eine Musikkassette wegnahm und diese anschließend mit einem blauen Auge erschienen sei.

 

Wir müssen notgedrungen von den Einflüssen der Persönlichkeit des Analytikers absehen, die gewaltig sind. Akthar (2014, 204) zählt summarisch auf: Der Nachdenklich-Brütende, der Sonnig-Gestimmte, der Spielerische, der Methodiker, Der Anklammerer (an die Richtlinien, an die „Standardtherapie“, an die mainstream-Analyse, an einen selbst entwickelten Stil), wenn wir das, was im Patienten selbst abläuft, genauer betrachten und verstehen wollen.

 

Eine irgendwie geartete analytische Bearbeitung, etwa auch unter Einbeziehung der Abwehr der traumatischen Erinnerungen und vor allem der deutlichen compliancehaften Unterwerfung, ist auch im Ansatz nicht erkennbar, Übertragung und Gegenübertragung (verdächtige, kollusive Einigkeit) nicht erkannt, geschweige denn reflektiert. der Autor will denn auch seine Therapie als „Implicit relational knowing and moments of meeting“, und zugleich aber als analytisch verstanden wissen.

 

Um es pointierter auszudrücken: Diese voreingenommene Sichtweise, man habe die Besserung therapeutisch herbeigeführt, obwohl 16 Jahre vergangen waren, verhindert den Blick auf Spontanheilungen, hier auf eine, im Übrigen äußerst bescheidene,  Spontanbesserung innerhalb von 16 Jahren und auf Alltagsverläufe.

 

Insgesamt herrscht hier überall pauschales Wunschdenken vor. Es werden nicht einmal ausgearbeitete Programme für jede Theorie entwickelt, wie eine Therapie konkret ablaufen soll.

 

Das Versagen aller Behandlungstheorien wird schon daraus ersichtlich, dass sich manche Patienten mit einem schweren Kindheitstrauma unter einer Behandlung bessern, manche mit einer weniger traumatischen Vergangenheit aber nicht (Bodansky 2014, 191) und dass nach einer psychodynamischen Erklärung für dieses verwirrende Phänomen nie gesucht wurde. Der – zudem immer willkürliche - Griff in die Biographie ist selbstverständlich keine psychodynamische Erklärung.

 

Hilfsweise kam immerhin die Frage auf, was genau einen widerstandsfähigen („resilient“) Patienten von denen unterscheide, die geschädigt blieben (Brandschaft 2010, 180). Zu einer psychodynamischen Erklärung, welche die libidinösen und aggressiven Wünsche, Ängste, Schuld- und Schamgefühle sowie die durch diese hervorgerufenen Abwehren einigermaßen vollständig ins Auge gefasst hätte, wurde dennoch nicht gefunden und - schlimmer noch -  auch nie gesucht.

 

Das Unterlassen von Suchbewegungen weist auf Resignation hin. Dies muss nicht von Nachteil sein, denn es gibt auch eine gesunde Resignation, dann nämlich, wenn ein grundsätzlicher Perspektivewandel nötig erscheint.

 

So haftet allen bisherigen Theorien der Traumaerklärung und Traumabehandlung etwas Statisches an. Beliebt ist z.B. das Modell der Einkapselung, ähnlich der Kapselbildung bei einem Abszess, durch den sich der Körper vor einer Infektion, gar einer Sepsis, schützt.

 

Unbestritten ist, dass vielen Traumatisierungen Spontanheilungen oder Spontanbesserungen folgen, ohne dass dies in der Psychoanalyse zur Kenntnis genommen wurde und vor allem wiederum, ohne dass man sich um eine analytische Erklärung bemüht hat, abgesehen von recht pauschalen Annahmen wie „Integration“ oder „Assimilierung“. Aber man hat sich nie gefragt, wie diese Vorgänge im Einzelnen ablaufen.

Es scheint auch, dass es sich bei – tatsächlichen oder vermeintlichen – Therapieergebnissen um Wunschergebnisse handelt, höchstens also um Endprodukte einer Entwicklung, nicht um die Entwicklungen selbst. Man hat das gewünschte Ergebnis mit dem Vorgang selbst verwechselt, - eine Tendenz, die sich in der Psychoanalyse häufig findet, z.B. bei der Verwendung des Begriffes „Regression“.

 

Zu denken ist z.B. an eine innere Aushöhlung (Tafonisierung) der Traumafolgen, ferner um eine Art Erosion oder Abrasion durch innere unbewusste Vorgänge, die an den Traumafolgen nagen und diese als solche, aber wahrscheinlicher ganz oder teilweise in Verbindung mit anderen psychischen „Stoffwechselprodukten“ zur Ausscheidung bringen, - ein expurgatorisches Modell, wie es schon viele in der Psychoanalyse gegeben hat und wie es uns der Körper selbst vorgibt. Selbst diese Vorstellungen sind noch einseitig.

 

Denkbar wäre auch, dass intrapsychische Vorgänge den Traumafolgen Phantasiematerial entziehen und für sich endgültig nutzen, so z.B. zu neuen Kreationen. Dies käme einer Assimilation im wörtlichen Sinne gleich. Denn hier würde traumatisches Material, in welcher Form auch immer, nicht nur ausgeschieden, sondern auch in neue psychische Produktionen eingebaut und somit verwendet, die ohne das traumatische Material nicht oder nicht so entstanden wären. Recycling ist nicht nur für normale Ausscheidungen denkbar, sondern auch für toxische Entwicklungen nach einem Trauma.

 

Auch ist danach zu sehen, ob das Trauma Patina angesetzt hat. Dies bedeutet, dass man nach offensichtlichen Zutaten im Laufe der posttraumatischen Zeit suchen muss. Ein Indiz hierzu ist die Schilderung des Traumas durch den Patienten in nachfolgenden Stunden, die regelmäßig etwas abweicht von der in vorherigen Stunden. Wenn er solches jetzt noch tut, hat er es früher umso mehr getan. Dabei ist natürlich auch Nonverbales, namentlich auch die Stimmungslage und der Gesichtsausdruck zu beachten.

 

Vermutlich kratzt der Patient immer mehr von der zwischenzeitlich angesetzten Patina wieder ab, um zu einer Art Kern des Traumas zu kommen. Denkbar ist natürlich auch, dass er ständig Patina hinzufügt oder im Wechsel wegnimmt und hinzufügt. Nur eines scheint sicher: Die Veränderung der Patina im Laufe der Therapie und der Zeit.

 

Der Patina selbst ist wohl schwer anzusehen, in welcher Zeit sie entstanden ist. Man kann aber versuchen, sie mit posttraumatischen Stadien in Zusammenhang zu bringen.

Vielleicht gibt es auch so etwas wie eine künstliche, vom Patienten bewusst herbeigeführte oder vorgetäuschte Patina.

 

Man könnte dabei auch darauf achten, ob die Patina gleichmäßig über das Trauma insgesamt oder nur über gewisse Aspekte des Traumas ausgebreitet ist. Welche Erinnerungen sind nach Jahren noch so frisch wie am ersten Tag, haben also keine Patina angesetzt?

 

Die heutigen analytischen Therapien sind hingegen lediglich darauf angelegt, das Trauma in einem ersten Schritt als stattgefunden zu bestätigen (validate) und die Ernsthaftigkeit des Traumas anzuerkennen. Der Therapeut lässt somit Patina nicht zu und entfernt sie, soweit wie möglich, auch wenn der Patient vielleicht für sich Patina zugelassen oder gefördert hat. Anscheinend ist es üblich, hier auch gegen die Wünsche des Patienten, das Trauma verblassen zu lassen, zu handeln, zunächst also alte Wunden wieder aufzureißen. Hier ist die gleiche Tendenz wie überhaupt in der üblichen Psychoanalyse zu sehen, nämlich, so jedenfalls das Programm, zunächst den alten, genetisch früheren Zustand wiederherzustellen, um darauf dann mit der – nun hoffentlich besser verlaufenden – angeblich oder tatsächlich gestörten Entwicklung – in der Übertragung und Gegenübertragung - wieder neu zu beginnen (Regressionskonzept). Was aber in einem solchen Entwicklungsprozess genau mit den Traumafolgen geschieht, wird nicht geklärt. Lässt man diese links liegen und beschränkt sich auf das Wieder-in-Gang-kommen der Entwicklung und ist zufrieden, wenn diese wieder aufgeholt wird? Dann wäre man doch wieder beim Kapselmodell. Aber halt, das Behandlungsziel sollte doch eine „Aufarbeitung“ des Traumas sein. Davon kann auf diesem Wege keine Rede sein. Dann bleibt nur noch der Zeitablauf mit seiner Erosion („Zeit heilt alle Wunden“). Man hat also therapeutisch nur die Traumafolge Entwicklungsstagnation behandelt, andere Folgen wie depressive Stimmung, Ängste nicht.

 

 

Auch lassen sich nach Stellen suchen, an denen das Trauma bzw. die Erinnerung daran deutlich korrodiert ist.

 

Jede Behandlung eines Traumas gerät automatisch in einen Wettlauf mit der Zeit, d.h. mit der zu erwartenden Besserung durch bloßen Zeitablauf. Eine Therapie hat ihre Wirksamkeit nicht durch bloße Besserung des Symptombildes nachzuweisen, sondern sie muss die Besserung durch den Zeitablauf in einem Wettstreit überholen. Der Nachweis benötigt eine unbehandelte Vergleichsgruppe. Bei dieser wird man Besserung durch bloßen Zeitablauf feststellen können.

 

Wie mag es gekommen sein, dass derartige Vorstellungen nicht entwickelt worden sind? Der Grund ist im Selbstbild der Therapeuten und ihrem Wunsch (und Selbstrechtfertigung, so vor Kollegen und vor den Leistungsträgern, auch natürlich vor den Patienten) nach Heilung des Patienten zu sehen. Einen Patienten, der ohne Therapeuten gesund wird, kann er nicht gebrauchen, auch nicht in seiner Vorstellung.

 

Immerhin tauchen wohl nicht zufällig Wörter auf wie „Versteinerung“, „Zersetzung pathogener Vorstellungen“, Wiederbelebung von Objekten“, „Einfrieren einer verfehlten Situation“, wenn diese auch in einem anderen Zusammenhang (Winnicottsche frühe Störungen) gebraucht werden und mir erst nach Verfassen eines ersten Entwurfs bekannt wurden (Zwettler-Otte 2012, 298). Aber mit diesen Wörtern ist das Eis zur physikalischen Welt gebrochen, und man kommt in einem weiteren Sinne zu ganz neuen Begriffen. Es wird wieder ein wenig naturwissenschaftlich, wenn auch einstweilen nur mit Wörtern.

 

 

Lit. beim Verf.

in der Hoffnung auf Anregungen:

2013  Manfred Krill

an alle Koll.

unter manmin@gmx.net könnten nun Ihre Anregungen / Einwände folgen. Anonyme werden verworfen.

Schreiben wir zusammen ein Buch? Gesucht werden vor allem Verlaufsbeschreibungen, Vignetten aus Therapien.

 

unktion, Über-Ich, Ich, Es, Aggressivität, interpersonell, freie Assoziation, Idealisierung des Griechentums, Apotheosestück, Verklärungsstück, P. Gray, Balintgruppe, psychoanalytische Sprache, Edgar Krill,

 

 

    

K a t e g o r i e n

B ü c h e r

Publikationen

Theater- und Filmkritiken

Malerei

Praxis

Kontakt

Impressum

© Dr. Manfred Krill 2014

 

 

 

 

 

Das Gutachterverfahren für tiefenpsychologisch fundierte und analytische Psychotherapie

Verlag: Psychosozialverlag, Gießen

ISBN: 978-3- 89806-773-7

 

 

 

Ödipus' Ende, 

Sophokles (497/96-406 v. Chr.)

Verlag: Peter Lang, Frankfurt

ISBN: 978-3-631-61407-5

 

 

Klassische Psychoanalytische Kompromisstheorie

Verlag: Dr. Krill Verlag, Königstein

ISBN: 978-3-9815177-1-2

 

 

Sophokles 

Ödipus in Kolonos

Drehbuch von Manfred Krill

Verlag: Dr. Manfred Krill Verlag, Königstein

ISBN: 978-3-9815177-0-5

 

 

 

Anorexia nervosa und Aggression

Neue Psychodynamik nach der Klassischen Kompromisstheorie

Verlag: Dr. Manfred Krill Verlag, Königstein

ISBN: 978-3-9815177-0-5

 

 

 

 

Klassische Psychoanalytische Kompromisstheorie und ihre Auswirkungen und Nichtauswirkungen auf Psychoanalytiker, Patienten und Gesellschaft Symptombildung als Kompromiss Verlag: Dr. Manfred Krill Verlag, Königstein

ISBN 978-3-9815177-5-0

 

Gruppenanalyse Neu, 158 Seiten, Preis 56 Euro gegen Vorauskasse

Verlag: Dr. Manfred Krill Verlag, Königstein

ISBN 978-3-9815177-6-7

 

Neue Traumatheorie

Das Schicksal der spontanen Traumafolgen: Einkapselung, Patinabildung, Innere Auszehrung (Tafonisierung), aktive Zertrümmerung, Erosion, einfacher Zerfall, spontane oder aktive Auflösung, Assimilation, Ausscheidung? Das Schicksal der Traumaanalyse.

von Manfred Krill

 

Roman

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Counter